Die Berliner Umweltzone

Die Umweltzone umfasst die Berliner Innenstadt innerhalb des S-Bahnringes. Dort wohnen und arbeiten rund zwei Millionen Menschen. Hinzu kommen zehntausende Touristen, die täglich im historischen Zentrum der Stadt auf und an der der Spree unterwegs sind. Für diese Menschen hat der Berliner Senat eine ganz besondere Fürsorgepflicht.
Aus gutem Grund dürfen dort seit Einrichtung der Umweltzone auf den Straßen nur Fahrzeuge mit Abgasnachbehandlung einfahren. Schrittweise wurden die Bestimmungen verschärft, um eine Verbesserung der Schadstoffsituation zu erreichen. Nachdem die Belastung nicht verringert werden konnte, mußte der Senat nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts im Juli 2019 partielle Fahrverbote aussprechen. Die erheblichen Emissionen der Fahrgastschifffahrt finden bei den Überlegungen zur Senkung der Belastungen keine Berücksichtigung.
Die Fahrgastschifffahrt
Eine Schiffsrundfahrt auf der Berliner Innenstadtspree gehört zu den touristischen Highlights der Stadt, ähnlich beliebt wie ein Besuch des Brandenburger Tors oder des Reichstags. Die beliebte Strecke zwischen Mühlendammschleuse und Bundeskanzleramt weist mehrere hundert Schiffsbewegungen täglich auf. Das führt an warmen Tagen auch immer wieder zu großer Staubildung.
Doch nicht nur die Menge an großen Schiffen bedeutet eine Beeinträchtigung der Aufenthaltsqualität an der Spree. Auch verfügen von den rund 100 Fahrgastschiffen Stand 2020 nur gut ein halbes Dutzend über eine Abgasnachbehandlung. Alle anderen emittieren ihre Dieselabgase ungefiltert, quasi mit Euro Null, in die Uferbereiche von Spree und Landwehrkanal. Diese Tatsache und die damit verbunden Gesundheitsrisiken sind vermutlich nur den Wenigsten bekannt. Wahrgenommen wird bestenfalls der unangenehme Dieselgeruch.
Laut Information des Umweltbundesamts können die Emissionen des Binnenschiffsverkehrs in flussnahen Städten wie Berlin bis zu 30% der lokalen Feinstaub- und Stickoxid-Emissionen betragen. Die alten Dieselschiffe tragen damit erheblich zur Schadstoffbelastung in der Innenstadt bei.
Das Vergabesystem
„Das Kapital einer Reederei sind nicht ihre Schiffe, es sind die Steganlagen!“
Dieses Zitat eines Berliner Groß-Reeders gibt die Situation in einem Satz wieder: Dreh- und Angelpunkt für den Zugang zur Spree und den fairen Wettbewerb sind die Steganlagen.
Die Genehmigungen für die Steganlagen werden mit befristeten Pachtverträgen an die Reeder vergeben, um dann stillschweigend immer wieder verlängert zu werden. Diese sogenannten Ewigkeitsverträge wurden von den Deutschen Kartellbehörden bereits vor Jahren verboten. Das hindert die zuständige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV), die dem Verkehrsministerium unterstehende und für die Verpachtung der Wasserflächen zuständige Bundesbehörde, nicht daran diese Verträge wider besseren Wissens weiter zu verwenden. Das spart viel Arbeit, den die Verträge müssten eigentlich im 5-Jahresrhythmus regelmäßig erneut ausgeschrieben werden, damit auch Wettbewerber die Chance auf einen Marktzugang bekommen.
Durch die quasi auf ewig genehmigten Steganlagen kann kartellrechtlich eine sehr bedenkliche Marktmacht ausgeübt werden. Zumal etliche Steganlagen außerhalb des Regierungsviertels überhaupt nicht genutzt werden. Aber solange eine Reederei die Steganlage unter Vertrag hat, haben interessierte Wettbewerber keine Möglichkeit "einen Fuß in die Tür" zu bekommen..
Reedern, die nicht Teil des Kartells sind, wird das Anlegen zur Aufnahme von Fahrgästen quasi unmöglich gemacht. Hohe Gebühren (im Jahr 2017 hat die Stern- und Kreisschiffahrt diese Gebühren ohne Begründung verdoppelt) oder eine gänzliche Untersagung der Anlegegenehmigung schließen Unternehmer aus, die mit innovativen Konzepten den fairen Wettbewerb suchen.
Ebenso die Art der Vergabe gibt Anlass zur Nachfrage. Insbesondere bei den attraktiven Innenstadtlagen müsste der Senat im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahren eine Ausschreibung durchführen. Seit Jahrzehnten werden die Steganlagen jedoch im sog. „Windhundverfahren“ (verwaltungsrechtlich korrekt: Prioritätsprinzip) vergeben. In der Konsequenz haben die gut vernetzten Diesel-Reeder ohne Ausnahme jede Steganlage zur individuellen Nutzung zugesprochen bekommen, teilweise haben Reedereien zwei Stege, nur wenige Meter voneinander entfernt.
Ein fairer Zugang zur Infrastruktur ist anderen Wettbewerbern damit nicht mehr möglich. Die Berliner Reeder bleiben unter dem Dach des Reederverbands der Berliner Personenschifffahrt e.V. unter sich.
Ein ganz besonders kurioser Fall spielt sich aktuell im Humboldthafen ab.
Parlamentsantrag und Umdenken
Der Willen des Parlaments wurde Anfang 2018 mit dem fraktionsübergreifenden Parlamentsantrag „Saubere Luft durch schadstoffarme Schiffe" bekräftigt. Darin wird der Senat explizit aufgefordert, Initiativen und Maßnahmen zur wirksamen Reduzierung der Schadstoffemissionen durch Schiffe auf den Berliner Gewässern zu ergreifen.
In dem Antrag heißt es:
„Es ist eine nachhaltige und möglichst emissionsarme Nutzung der innerstädtischen Häfen, u. a. durch Elektro-Anleger, anzustreben und dies mit entsprechenden Maßnahmen zu unterlegen.“
Und weiter:
„Elektroschiffe bieten die Möglichkeit für emissionsfreien Schiffsverkehr. Vor allem im Fahrgastschiffbereich sind schon Schiffe mit Elektroantrieb im Einsatz. Sie tragen so zur Verbesserung der lokalen Luftqualität und, je nach eingesetztem Strom, zum Klimaschutz bei. Um den Betrieb zu ermöglichen, sind allerdings Elektroanleger mit Lademöglichkeiten notwendig.“
Das Parlament hat sich klar zur Elektroschifffahrt positioniert. Die Verwaltung unter der politischen Führung der Grünen und das Wasser- und Schifffahrtsamt sehen sich dennoch nicht in der Pflicht, diese Vorgaben aus der Politik umzusetzen.
MdL Daniel Buchholz (SPD) bei der Vorstellung des Parlamentsantrags im Januar 2018:
Nachdem der Elektroschifffahrtsverband 2018 die Thematik sehr intensiv in die Hauptstadtpresse gebracht hat, findet langsam ein Umdenken im Senat und der Verwaltung statt. 2019 wurde erneut hinsichtlich möglicher Systeme getestet.
Im Mai 2020 hat der Senat dann mitgeteilt, dass er im Doppelhaushalt 2020/2021 insgesamt 1,8 Mio. Euro eingestellt hat, um den Berliner Reedereien die Umrüstung auf schadstoffreduzierende Systeme zu bezahlen.
Wohlgemerkt geht es nicht um eine Beihilfen zur Umrüstung, sondern um eine Vollfinanzierung aller Kosten zu Lasten des Steuerzahlers.
Die Mitglieder




Der Verband repräsentiert Unternehmer und Anlieger. Uns eint, dass wir an den Ufern der Spree leben oder dort unsere geschäftlichen Aktivitäten betreiben. Vom Elektro-Reeder über den Hafenbetreiber hin zum Gastronomen und auch zum Hotelier wollten wir uns mit der Emissionssituation an den Ufern der Spree nicht länger abfinden.
Wir lieben Wasser und möchten für uns und unsere Gäste die Spree und das wunderbare Ambiente erlebbar halten. Natürlich zählt auch ökonomisches Interesse zu den Motiven. Doch der Schutz unserer Lebens- und Wirtschaftsgrundlage ist für uns die größte Herausforderung. Daher sind wir der Überzeugung, dass die Fahrgastschifffahrt sauberer werden muss und perspektivisch nur durch Elektroantriebe konfliktfrei betrieben werden kann. Die Nutzung des öffentlichen Raums für unternehmerische Tätigkeit sollte dergestalt erfolgen, dass dabei unsere Umwelt so wenig wie möglich belastet wird. Angesichts der Zustände auf der Spree sehen wir uns in der Pflicht, den Fehlentwicklungen entschlossen und vereint entgegenzutreten.
Unsere Vorstellung von verantwortungsvollem Unternehmertum haben wir in der Präambel unserer Verbandssatzung formuliert:
„Der Verband hat den Zweck, eine nachhaltige Wirtschaftspolitik in Hinsicht auf die Bewirtschaftung der Wasserflächen durch elektrische Schifffahrt zu fördern. Hierfür hat er sich zum Ziel gesetzt, die Interessen seiner Mitglieder zu unterstützen und erkennt in diesem Zusammenhang seine gesellschaftliche Verpflichtung an, auch nachfolgenden Generationen die schützenswerte Umwelt im Gleichgewicht zu hinterlassen.“
Die Forderungen
Der Verband für Elektroschifffahrt und Ladeinfrastruktur e.V. fordert die Umsetzung des Parlamentsantrags „Saubere Luft durch schadstoffarme Schiffe“ durch die zuständige Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.
Im Einzelnen:
- Ausweisung von Anlegestellen und Schaffung von Ladeinfrastruktur, z.B. im Humbolthafen
- Definition von zentrumsnahen Nachtliegeplätzen mit Ladeinfrastruktur, z.B. im Nordhafen. Elektroschiffe können aufgrund des eingeschränkten Aktionsradius nicht unverhältnismäßig lange Anfahrten leisten.
- Änderung der Vergabepraxis für Innenstadt-Steganlagen. Pachtverträge dürfen im Rahmen einer rechtskonformen Ausschreibung nur für eine bestimmte Dauer vergeben werden. Wenn Steganlagen nachweislich nicht regelmäßig genutzt werden, darf ein Pachtvertrag nicht verlängert werden. Alternativ: die relevanten Gewerbestege im Regierungsviertel werden öffentlich betrieben.
- Der Senat muss für die Einhaltung von Umweltstandards sorgen. Es müssen landespolitisch die verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, Anlegemanöver innerhalb der Berliner Umweltzone restriktiveren Regularien zu unterwerfen. Wer seine Schiffe nicht mit Abgastechnik ausrüsten will, darf mit dem entsprechenden Schiff nicht mehr am landeseigenen Berliner Ufer anlegen.
- Das Killer-Argument „Bundeswasserstraße“ darf nicht weiterhin als Feigenblatt genutzt werden, um sich nicht mit der Reeder-Lobby anzulegen!
- Eine Entzerrung der Linienfahrpläne ist dringend geboten. Hier ist das Wasser- und Schifffahrtsamt gefordert, das die Fahrpläne jährlich genehmigt. Während der Stoßzeiten sind zu viele Schiffe in der Stadt unterwegs. Ab 18:00 steht den Gästen der Stadt dagegen fast kein Angebot mehr zur Verfügung.